Christopher Street Day-oder der peinlichste Moment meines Lebens! Kapitel 9

Ich war nervös und voller Vorfreude. Der Christopher Street Day! Es war das erste Mal, das ich beim Umzug mitmachte. Das Insomnia war mit einen der größten Wagen vertreten und seit Wochen ausgebucht. Wer hier nicht mitfeiern wollte, hatte selber Schuld! Der ganze Club um Dominique herum war mit den Vorbereitungen beschäftigt: der Wagen wurde geschmückt, die Techniker bereiteten die Soundanlage vor. Man spürte in jeder Ecke die Freude auf das Großereignis.

 

Mein Part war der des Ordners. In der ersten Hälfte sollte ich mit ein paar anderen Jungs den Wagen absichern und mit einem langen Tau rings um den Lkw herum die Menschenmassen abhalten, nicht unter die Räder zu kommen. Danach hatte ich Zeit mitzufeiern.

Am Vorabend saß ich wie so oft an meinem Fenster, dem schönsten Platz in der Wohnung. Nervosität und Vorfreude wechselten sich ab. Sollte ich Teddy ausführen beim CSD- Umzug? Eigentlich wäre es der beste Zeitpunkt Teddy in der Berliner Öffentlichkeit zu präsentieren. Natürlich erst in der zweiten Runde, die zum feiern diente. Teddy hing wie immer an seinem Platz und grinste mich förmlich an. „ Ja! Nimm mich mit“, kam es aus seinen Glitzeraugen und sein immer gleiches Lächeln besagte das selbige. „Na, mal sehen was der Moment hergibt“, dachte ich mir und schlief voller Spannung auf den nächsten Tag ein.

 

Das Telefon klingelte Sturm und Georg war am anderen Ende ziemlich hektisch unterwegs. „Danny bist du schon wach? Nicht das du verpennst!“ keuchte er in den Hörer. „Wäre ich sonst am Telefon?“ antwortete ich amüsiert. Georg hatte die Verantwortung für die Sicherheit und Logistik rund um unseren LKW. Ich konnte seine Anspannung gut verstehen und schmiss mich schnell in meine Klamotten.

Als ich in der Uhlandstrasse ankam, war der Lkw bereits zum Start bereit. Rundherum standen unzählige Menschen, die darauf warteten das der Umzug los ging und aus unserer Anlage dröhnte feinster Technobeat , aufgelegt von unseren Resident DJ`s , die schon an Bord waren.

Micha organisierte die Absicherung und wies uns Ordner für die erste Runde ein. Meine Position war links hinter dem Wagen, ich musste also mit meinem Ende des Taus zusehen, das bis zum letzten Wagenrad alles abgesichert war. Dominique und ihre Mädels hatten sich in Schale geschmissen, um den Zuschauermassen am Straßenrand ordentlich einzuheizen. Eine war schöner anzuschauen als die Andere.

Sie trugen Protestschilder, die passend zur Demonstration, mit makabren Sprüchen in Richtung Politik und Kirche gespickt waren.

Der Zug war noch nicht am rollen, da kochten die Menschenmassen rundherum bereits! Unmengen von fantasievoll geschmückten Wagen vieler unterschiedlicher Organisationen hatten nur ein Ziel: die Welt ein bissel bunter zu machen!

Hier und da wurde Schnaps und Sekt verteilt, um die Leute noch mehr aufzuheizen. Zu der Zeit trank ich selber noch Alkohol und das nicht zuwenig , ein fataler Fehler, wie sich später noch herausstellen sollte. Also gab’s, schon als der Umzug losrollte, hier mal einen Sekt und da mal einen Jägermeister. 

 Ich ging direkt hinter den Boxen, aus denen ohrenbetäubender Lärm dröhnte, als mein Handy klingelte.  Ich konnte kaum bis gar kein Wort verstehen, was Jolina mir am anderen Ende der Leitung sagte: „ Wir….ko…vielle..später vorb…“, ich verstand kein Wort. „ Wir wart.. an der…“, aber es war zwecklos. Es war einfach zu laut. „ Ich versteh dich nicht“, brüllte ich schon fast ins Telefon, „der Umzug läuft, melde mich später bei dir!“ und legte auf.

Die Massen waren wie elektrisiert und tanzten als gäbe es kein Morgen mehr. Der Insomniawagen war heiß begehrt und die Leute stiegen auf und ab, dabei half ihnen unser Doormen Ben und behielt die Übersicht, das der Wagen nicht aus allen Nähten platzte. Ich hatte wortwörtlich alle Hände voll zu tun, um das Tau nicht zu verlieren und war immer darauf bedacht, das letzte Wagenrad im Auge zu behalten. Jazzy heizte unseren Gästen mit ihrer Partylust auf dem Wagen ein. Dominique und ihre Mädels taten das selbige um den Wagen herum.

Einer unserer Stammgäste: Ari Denaro, war wie immer mit seiner Kamera dabei und nahm alles auf, was ihm vor die Linse kam. Er war einer meiner Lieblinge! Ein Freak und Weltenbummler, der seinesgleichen sucht, immer gut drauf und multi-kulti. Sein Markenzeichen war eine zwischen den Beinen baumelnde Gasmaske. Wenn einer hierher passte, dann er.

Die Party tobte! Es war Ausnahmezustand in Berlin. Insgesamt über fünfhunderttausend Menschen säumten die Straße, um mitzufeiern und das taten sie ohne Ausnahme.

Mein Telefon klingelte erneut. „W…sin…an…. de…Kreu…g un wa…au di…..“, hörte ich bruchstückhaft: „Jolina, ich verstehe nix! Bin heute Abend zurück“, brüllte ich daher nur ins Handy  und legte auf.

Alles war außer Rand und Band, die Musik dröhnte, der Alkohol floß in Strömen. Micha kam auf mich zu und meinte: „ Danny, deine Runde ist um. Jetzt kannst du richtig mitfeiern!“

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und übergab das Tau an meinen Nachfolger. Zum aufwärmen gabs dann erstmal einen Jägermeister, dem gleich noch zwei weitere folgten. Auf dem Wagen war die Hölle los, so sollte es sein und ich genoss jede Minute.

Ich tanzte wie in eine andere Dimension abgetaucht um den Wagen , befand mich in einem ekstatischen Partyrausch inmitten einer Welt, die ausgelassen tabulos feierte.

 

Der Alkohol und das ausgelassen freizügige Ambiente sorgten dafür, das ich lebendiger denn je war und ausgelassen mitmachte. Auf dem Wagen tanzten die Mädels in ihren sexy Outfits und wussten die Massen zu unterhalten. Yoran knipste alles was nach Party und Erotik aussah, sprich seine Kamera lief auf Dauerfeuer!

Ich tanzte hinten am Wagenende, als sechs bis sieben Mädels meinten, sie müssten ihre Schenkel über die Brüstung des Wagens hängen, um ihre Highheels zu demonstrieren. Ein sehr leckerer Anblick, keine Frage, doch die Idee, die mir dadurch kam war keine Gute.

 

Die aufgeheizte Partystimmung, der viele Alkohol , der Anblick der nackten Schenkel tobten in meinem Körper, ich war elektrisiert von sexueller Gier.

Ich wollte diese geilen Highheels lecken.

Von außen sprang ich an die Brüstung des Wagens und hielt mich an ihr fest.  So hatte ich die Stiefel direkt vor meiner Nase. Meine Zunge nahm ihre Arbeit auf und ich reinigte unter dem Gekreische der Mädels jeden einzelnen Schuh. Eine gefühlte Ewigkeit hing ich am Wagen, während Yorans Blitzlichtgewitter von hinten nicht aufzuhören schien.  

Daaaaanny“, brüllte es auf einmal von hinten und ich sprang ab. Die Stimme war mir sehr vertraut!

Jolina, mit Emma auf dem Arm, stand direkt hinter mir. Schock und Fassungslosigkeit standen ihr ins Gesicht geschrieben.  Augenblicklich verpuffte mein Hochgefühl, wich Verwirrung und dann einer tiefen Scham. Jolinas Gesicht sprach Bände. Entsetzen, Wut und Enttäuschung  wechselten sich ab. Trotz meiner mindestens zwei Promille fühlte ich mich spontan ernüchtert.

Emma merkte ebenfalls, das etwas nicht stimmte, doch auf Mama`s Arm fühlte sie sich wie immer sicher. „ Ich hatte dich doch angerufen, das wir hier an der Ecke auf euch warten!“ fuhr Jolina mich an.  Ich war immer noch im Schockzustand. Alles hätte passieren dürfen, nur nicht das hier.  Meine Frau und mein Kind standen vor mir und sahen mich , abgefüllt mit Drogen und Alkohol und einer schwarzen Schnauze, durch gefühlt mehr aufgeleckte Schuhcreme, als manches Schuhhaus zusammen im Sortiment hatte. Ich schämte mich in Grund und Boden.  Aber das konnte und wollte ich nicht zeigen, wie immer, wenn ich übermäßig Alkohol getrunken hatte.

 Emma schaute sich um und begriff die Situation, in der sie sich befand nicht wirklich. Sie hatte soviele Eindrücke vom Umzug zu verarbeiten. Ihre Augen gingen hin und her, bestaunten die vielen Menschen, die buntgeschmückten Wagen, sicher und geschützt auf Mamas Arm.

Am liebsten wäre ich in Grund und Boden versunken und hätte mich unsichtbar gemacht, aber das war nicht möglich.

Ich hatte bis dato in meinem Leben und in unserer Beziehung schon so viel Mist gebaut! Doch dies hier war mit Abstand der beschämendste und peinlichste Moment in meinem Leben.

 „So wird sie niemals mehr zu mir zurück kommen!  Meine Familie, meine Frau, mein Kind“, heulte ich in Gedanken.

 Der Umzug rollte währenddessen unbeeindruckt von meinem persönlichen Desaster weiter.

Was nun? Wie konnte ich das retten? Konnte ich das überhaupt? Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf, von denen keiner gut war oder gar richtig. Ich war der Verzweiflung nahe und in meinem alkoholisierten Zustand kam mir nur eine Idee. Ich nahm Emma auf den Arm, in der Hoffnung ,die Situation entschärfen zu können, wenn Emma lacht und Freude hat.

 „ Papa! Da!“, lächelte sie und zeigte mit ihren kleinen Fingern auf den Wagen.

Eine weitere Idee schoss mir durch den Kopf, es war keine gute! Doch das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

 Das angefangene Drama nahm seinen Lauf…….!!!

 

Kapitel 10- Schmerzhafte Highheels

Reise eines Teddybären

  1. Die sanfte Einführung
  2. Bizarre Bilder
  3. Larissa
  4. Der Anheizer
  5. Das Kreuz
  6. Ein intimer Besuch
  7. Stolzenau – oder der Keller des Grauens
  8. Schmerzen tun nicht weh!

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